Was wäre unsere Welt ohne Mitmenschlichkeit? Ich bekomme eine Ahnung, wenn ich zu viele Nachrichten über Kriege, Terrorismus, Gewalttaten, Mobbing oder Ähnliches lese. Eine Welt ohne Mitmenschlichkeit wäre für mich schlicht nicht lebenswert. Und ich schätze, für Dich genauso wenig.
Ich höre immer wieder in meinem Umfeld, dass manche Menschen selten bis nie mehr Nachrichten schauen oder hören, weil sie das Wichtigste ohnehin auf anderem Weg mitbekommen. Die Nachrichten völlig ignorieren, ist für mich persönlich zwar keine Option, aber eine Dosierung ist ein Muss. Die überwiegend negativen Schlagzeilen ziehen mich auf lange Sicht runter. Mein Hirn braucht ab und zu positive Meldungen, um weiter zu funktionieren und offen für mein Umfeld zu bleiben.
Angesichts des Weltgeschehens ist ein Miteinander mehr denn je nötig, finde ich. Viele Nachrichten demonstrieren fehlende Menschlichkeit, bleiben für mich aber dennoch abstrakt. Weniger abstrakt ist für mich, was ich an Menschen auf der Straße beobachte: Ich erkenne zunehmend Abgestumpftheit, Rücksichtslosigkeit oder Abwesenheit. Als wären die Personen auf der Straße eigentlich gerade ganz woanders, in einer anderen Welt.
Die permanente Verfügbarkeit per WhatsApp, Facebook & Co. kann kirre machen – auch wenn es um Kommunikation mit anderen geht. Meist aber mit vielen gleichzeitig, oft anonym und immer virtuell. Beruhigender und wertvoller bleibt immer noch die reale Kommunikation, wenn wir uns auf einen oder wenige Menschen konzentrieren können.
Die Diagnose „geistige Abwesenheit“ ist in meinen Augen auch auf das „Höher-Schneller-Weiter-Syndrom“ unserer Gesellschaft zurückzuführen. Es muss immer noch besser gehen. Die Anzahl an Stunden pro Tag ändert sich nicht, doch das, was wir reinpacken wollen oder vermeintlich müssen, nimmt zu. Auf diese Weise steigern sich Anzahl und Intensität unserer Tätigkeiten. Das kann immens stressen und uns eben auch in eine andere Welt katapultieren. Wohin sollen denn permanente Steigerungen, Optimierungen und stetes Wachstum führen?
Das soll aber gar kein „Jammer-Artikel“ werden, sondern ein Aufruf an die Mitmenschlichkeit. Nutzen wir das neue Jahr, um ein bisschen mehr Miteinander und Füreinander in die Welt zu tragen!
Was ist Mitmenschlichkeit für mich?
Was ein Glück bin ich von so vielen tollen Menschen umgeben! Ob ich sie persönlich kenne oder nicht. Ich bin gern mit mir allein, aber ich genieße auch bewusst die Zeit mit Menschen, die mir nahestehen oder die ich interessant finde.
Mitmenschlichkeit geht aber weit über Freundschaft hinaus. Ich assoziiere damit Freundlichkeit, Aufmerksamkeit, Rücksichtnahme, Wertschätzung, Hilfsbereitschaft und Fairness. Wenn jemand einen schweren Koffer allein aus dem Zug hievt, kann ich spontan mit anpacken. Ich betrete ein Kaufhaus und schaue hinter mich, bevor ich die Tür einfach zufallen und meinem Hintermann vielleicht auf die Nase knallen lasse. Eine neue Kollegin beginnt im Team? Natürlich beantworte ich ihre Fragen und unterstütze sie beim Einleben. Schließlich war ich selbst mal in der gleichen Position. Ein Fremder verliert unbemerkt seinen Handschuh. Ich kann ihn aufheben und ihm geben. Ein Mitreisender seufzt genervt, aber ich bin ganz zufrieden. Vielleicht freut er sich über ein kleines, aufmunterndes Lächeln. Jemand stolpert auf der Straße. Klar helfe ich auf. Eine Workshop-Teilnehmerin hat ihr Essen vergessen und ihr knurrt der Magen. Mein Essen wird für uns beide reichen.
Das ist alles nicht nur Ehrensache. Es ist Menschensache!
Was wäre unser Leben ohne solche kleinen, feinen, menschlichen Aufmerksamkeiten? Wir würden uns völlig allein fühlen, abgeschnitten vom Rest der Menschheit.
Natürlich gibt es diese Tage, an denen mir selbst die Welt über den Kopf wächst. An diesen Tagen habe ich keine Energie, um anderen gegenüber besonders aufmerksam zu sein. Da muss schon etwas Größeres passieren, damit ich meine Restreserven aktiviere. Aber vielleicht hat an diesen Tagen jemand anderes mehr Energie, von der ich dann etwas abbekomme.
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