Neben dem Yoga zählt Kampfsport zu einer meiner größten Leidenschaften. Erzähle ich den Menschen hierzulande, dass ich Muay Thai praktiziere, kommen oftmals fragende Blicke. Für viele ist es zunächst unbegreiflich, wie sich das friedvolle Mattentraining beim Yoga mit einem kampforientierten Sport wie dem Thaiboxen vereinen lässt. Die wenigsten wissen nämlich über die historische und spirituelle Bedeutung des thailändischen Nationalsports.
Prana und Energie in der Kampfkunst: Thai Massage als Schnittstelle zwischen Yoga und Muay Thai?
Was mich an traditionellen Körperpraktiken schon immer fasziniert hat, ist, wie sich eine alte Philosophie während der Jahre entwickelt. Im Muay Thai findet man neben Schlägen und Tritten auch Elemente aus der Thai Massage, die genauso wie das Hatha Yoga ihren Ursprung in Nordindien hat.
In Thailand wurde die Nuad Thai (traditionelle Thai Massage) in alten buddhistischen Tempeln gelehrt, um die Mönche körperlich und energetisch auf die Meditation vorzubereiten.
Später entdeckten auch die von Mönchen gesegneten Thaiboxer den regenerativen Effekt der Massage. Vielleicht fühlten sie sich durch die kraftvolle Massagetechnik sogar inspiriert. Wer schon mal in den Genuss einer echten Nuad Thai gekommen ist, weiß, dass dabei echter Körpereinsatz gefragt ist! Wie beim Muay Thai kommen hier Ellbogen und Knie zum Einsatz, um Verspannungen und energetische Blockaden zu lösen.
Und siehe da: In den Lehrbüchern traditioneller Thai Massage kommen diese Trigger Points den Nadis gleich, die dem Yogi mehr als geläufig sind, wenn es um die Energieversorgung durch die universale Lebenskraft Prana geht.
Die Geschichte vom Muay Thai und dem thailändischen Tiger König
Neben dem Buddhismus hat auch das Königshaus einen großen Einfluss auf den Nationalsport der Thais genommen. König Ayuttaya, der Anfang des 18. Jahrhunderts regierte, führte von seiner persönlichen Passion geleitet das erste Equipment in die Welt der thailändischen Kampfkünste. Die ersten Bandagen bestanden aus Pferdehaar, bevor sie durch Hanffasern und später durch Baumwolle ersetzt wurden. Als Tiefschutz dienten Muscheln oder Baumrinde, denn bis in die dreißiger Jahre waren selbst Tritte in den Genitalbereich erlaubt.
Noch heute wird der im Volksmund als „Tiger König“ bekannte Kampfsportler für die Gewinne verehrt, die er während seiner anonymen Straßenkämpfe verzeichnete. Der Tiger steht in der asiatischen Symbolik für Mut, Ausdauer und Kraft. Auf den Rücken der Nak Muays (Muay Thai Kämpfer) sieht man deshalb oft zwei bengalische Tiger tätowiert. Von einem Mönch wird das gesegnete Motiv nicht gestochen, sondern traditionell mit einem Bambusrohr in die Haut geklopft, während schützende Mantren gesummt werden.
Den meditativen Charakter des Muay Thais erfahren aber nicht nur diejenigen, die sich Tinte unter die Haut jagen lassen. So schmerzhaft ein Tritt gegen den Oberschenkel auch sein mag: Im spielerischen Len Lom (was frei übersetzt „Spiel mit dem Wind“ heißt und bei uns als Schattenboxen bekannt ist) erkennt man ganz deutlich den infantilen Charakter der thailändischen Mentalität. Außerhalb der Kampfvorbereitung wird hier intensiv, aber sehr energieeffizient trainiert und darauf geachtet, sich gegenseitig nicht zu verletzen. Schaut man den Nak Muays beim Training zu könnte man fast meinen, die zwei Gegner tanzten miteinander, anstatt sich zu schlagen.
Rituelle Tänze – Vom Humbled Warrior zum Kämpfer
In der alten Muay-Thai-Tradition führen die Kämpfer auch vor Beginn des Kampfes einen rituellen Tanz (Wai Khru Ram Muay) vor, der vor allem Respekt gegenüber dem eigenen Lehrer symbolisieren soll.
Der traditionelle Kopfschmuck, den Kämpfer während dieses Rituals tragen, wird Mongkon genannt. Erst wenn der Lehrer seinen Schülern als für den Kampf bereit ansieht, wird das glückbringende Stirnband übergeben, das zuvor in einem buddhistischen Ritual gesegnet wurde. Vor dem Kampf nimmt der Lehrer den Mongkon vom Kopf des Schülers und erklärt somit den offiziellen Beginn des Kampfes. Sowohl während der spirituellen Zeremonie als auch während des Kampfes wird traditionelle Thai Musik gespielt, die den Kämpfer in eine Art Trance Zustand bringt.
Thaiboxen – The Art of 8 Limbs
Durch die internationale Beliebtheit, an der sich das traditionelle Muay Thai im Laufe der Zeit erfreute, wurde mehr Raum für Inspirationen durch andere Kampfsportarten geschaffen. So fanden die aus dem westlichen Boxen bekannten Handschuhe ihren Platz in der asiatischen Kampfkunst. Die Einführung unterschiedlicher Gewichtsklassen, das Kämpfen im Ring und in Runden machen das heutige „Thaiboxen“ aus.
Muay Thai wird im Englischen als Art of 8 Limbs (achtgliedrige Kunst) bezeichnet, da die angewandten Techniken mithilfe von jeweils zwei Fäusten, Ellenbogen, Knien und Schienbeinen (8 Punkte) ausgeführt werden.
Thaiboxen: Das härteste Training im Kampfsport
Thaiboxen ist weltweit für sein hartes Training bekannt. Neben Seilspringen, Joggen und Schattenboxen gehören Übungen, die Körperkraft, Koordination und Kondition erfordern, zu einem normalen Warm-Up. Anschließend werden partnerweise und mithilfe von Boxsack oder Pratzen Techniken geübt. Zur optimalen Kampfvorbereitung dient das Sparring, in dem die Praktizierenden eine realistische Kampfsituation simulieren. Anders als in Profikämpfen tragen Kämpfer dabei in der Regel Schienbeinschoner, um ernsthafte Verletzungen zu vermeiden.
Die geballte Power kommt schließlich im Ring zum Einsatz. Hätte ich es nicht selbst durchlebt, wäre es für mich unvorstellbar gewesen, welche Energien sich nach wochenlangem Training (das in traditionellen Trainingscamps 6 Stunden am Tag bedeutet) entfalten.
Eine Yogasequenz, die den perfekten Mix aus Kraft und Flexibilität im Muay Thai abdecken, findest du auf meinem Yoga-YotTube-Channel in diesem Video:
(Beitragsbild: © unsplash.com/Jason Briscoe)
Anstehende Veranstaltungen:
# WONNEVOLL: Yoga-Tagesretreat auf dem Sonnenhof (13.5. | Runkel)
# Yoga auf dem Steg: Sommer 2023 (Schiersteiner Hafen, Wiesbaden)
# Mama-Kind-Auszeit: Yoga für die Mamas & kreatives Malen für die Kids (4.6. | Wiesbaden)
# Deepen your practice: Thai Yoga-Absolvententag (16.7. | Büttelborn)
# Relax & Release: ein Tag für dich (10.9. | Büttelborn)
Guten Tag Silke, vielen dank für diesen Block, er beinhaltet wirklich einige sehr interessante Informationen. Ich mache ebenfalls Muay Thai und habe auch angefangen Yoga zu machen. Mir ist aufgefallen, dass diese Sportarten irgendwie alle miteinander verbunden sind. Wenn ich mir beispielsweise das Video von Buakaw anschaue, wo er den traditionellen Muay Thai Tanz tanzt, sieht man ja auch das, dass sehr Yoga ähnlich ist. Bei mir ist das ganze ganz unbewusst entstanden, beziehungsweise nicht traditionbewusst, sondern eher Leistungsbewusst. Ich war im muay Thai training, welches sehr hart war und danach habe ich mir überlegt was ich machen kann um etwas entspannter Sport zu machen wenn ich mal nicht zum Training gegangen bin und bin dann auf Yoga gestochen. Klar kann auch hier die Intensität höher sein, dennoch musst du nicht kicken oder viel Kraft anwenden. Im Yoga kann ich auch mehr in meinen Körper gehen. Weil ich regelmäßig zum Sport gehe und in einem Büro Job arbeite wollte ich dann auch unbedingt zur regelmäßigen Massage gehen und mir fiel direkt die Thai Massage ein, zu der ich auch jetzt regelmäßig gehe. Als ich mich noch etwas mehr mit Muay Thais Tradition befassen wollte, bin ich auf deinen Block gestoßen und mir wurde bewusst, wie ich alles diese Dinge praktiziere und wie sie alle miteinander zusammenhängen. Ich finde das super, das du dir so viel Mühe machst und einen ganzen Block über dieses Thema verfasst hast. Ich finde allein in Deutschland sollte viel mehr über Muay Thai berrichtet werdet.
Alles Liebe
Alwin:)