Über Yoga & Trauma – Eva Weinmann im Porträt

Du verbindest Psychologie und Yoga miteinander. Was war zuerst da: die Psychologie oder die Yogalehre? Und wie greifen beide Bereiche für dich ineinander?

Ehrlich gesagt wollte ich anfangs gar nicht Psychologie studieren. Ich hatte mich an einer Kunsthochschule beworben und bin dort durch die letzte Aufnahmeprüfung geflogen. Nicht wirklich wissend, was ich prinzipiell mit meinem Leben machen möchte, bin ich damals für 1,5 Jahre allein hauptsächlich durch Asien gereist und habe einen Großteil der Zeit bei Yogalehrenden und in Klöstern verbracht. Die Arbeit mit dem Geist wurde für mich so interessant, dass ich mich anschließend für ein Psychologiestudium entschied. Also war ich Yogalehrerin, bevor ich mit dem Studium begann. Für mich gibt es viele Überschneidungen zwischen Yoga und Psychologie, doch die Wichtigste ist für mich die, dass wir in beiden Bereichen davon ausgehen, dass der Mensch jede Menge Weisheit, Frieden und das Potenzial zur Gesundheit in sich trägt und es darum geht, diesen Weg in die Tiefe des Selbst zu unterstützen. Und ja, Kreativität ist bei beidem wichtig, sodass es letztendlich nicht so schlimm ist, dass ich es nicht an die Kunsthochschule geschafft habe.

Seit einiger Zeit habe ich den Eindruck, dass Begriffe wie Trigger oder Trauma fast schon inflationär verwendet werden. Wie definierst du aus psychologischer Sicht ein Trauma?

Da stimme ich dir absolut zu. Bei einem Trauma handelt es sich um eine sehr schmerzhafte Verletzung, die unter anderem dadurch gekennzeichnet ist, dass sie die eigenen Bewältigungskompetenzen übersteigt und den Mensch mit Gefühlen von tiefer Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit zurücklässt. Daran erkennen wir, dass viele Ereignisse, die umgangssprachlich als Trauma bezeichnet werden, zwar belastend sind, doch definitiv nicht die Kriterien eines Traumas erfüllen.

Ab welchem Punkt oder Stadium eines Traumas sollte man sich professionelle Unterstützung suchen? Oder anders gefragt: Wie merkt man, dass man es allein nicht (mehr) schafft?

Das ist individuell sehr unterschiedlich. Doch generell würde ich zu einer professionellen Unterstützung spätestens dann raten, wenn das erlebte Trauma den heutigen Alltag beeinträchtigt. Betroffene merken es oft daran, dass sie gewisse, objektiv ungefährliche Situationen meiden oder auch ihr Verhalten ändern.

Woran liegt es, dass die einen Menschen sehr schmerzhafte Erlebnisse integrieren und damit leben können, und es andere wiederum aus der Bahn wirft?

In der Frage liegt ein wichtiger Punkt, den du da ansprichst: Ein Trauma muss nicht zwangsläufig zu einer anhaltenden Beeinträchtigung führen. Manche Menschen erholen sich auch recht schnell und eigenständig von traumatischen Erlebnissen.

Abhängig von der Art des erlebten Trauma und dem Zeitpunkt des Erlebnisses können unterschiedliche Faktoren eine Rolle spielen. Es gibt mit Sicherheit noch weitere, doch zu den wichtigsten Faktoren, die die Verarbeitung erleichtern gehören: eine gewisse Grundstabilität im Leben, die eigene Resilienz, tragende soziale Beziehungen, genetische Prädisposition, frühe Bindungserfahrungen sowie das Erleben von Selbstwirksamkeit.

Eva Weinmann
© Mat Kovacic
Eine schwer verletzte Seele macht es nicht nur den betroffenen Personen schwer, sondern es kann auch sehr belastend für die Angehörigen sein. Hast du einen Tipp für Menschen, denen erstens auffällt, dass ein geliebter Mensch offensichtlich Hilfe braucht, und die zweitens diesen Menschen durch den Heilungsprozess begleiten?

Betroffene erzählen mir immer wieder, wie hilfreich es ist, Menschen in ihrem Leben zu haben, die einfach unterstützend da sind. Mit denen sie – nach eigenem Wunsch – über das Erlebte sprechen können oder auch bewusst die Möglichkeit haben, sich auf Leichtes und Schönes zu konzentrieren. Nicht hilfreich ist es hingegen, wenn nahestehende Menschen ungefragte Ratschläge geben, das Erlebte bagatellisieren, selbst investigieren oder gar Betroffenen Schuld zuweisen. Auch sollte man als Angehörige*r wissen, dass Reden nicht immer hilft und dass es sich lohnt, Absagen etc. nicht persönlich zu nehmen. Zudem ist es ratsam, die eigenen Grenzen zu kennen und einzuhalten und bei entsprechendem Bedarf bei der Suche nach therapeutischer Hilfe zu unterstützen.

Zusammen mit Helga Baumgartner leitest du die Fortbildung „traumasensibles Yoga“, die ich sehr bereichernd fand. Was bedeutet traumasensibles Yoga für dich?

Traumasensibles Yoga beinhaltet meines Verständnisses nach alles, was gegensätzlich zu einem Trauma ist. Es ist eine stabilisierende Methode, die es Menschen ermöglicht, sich so sicher und selbstwirksam wie möglich im Hier und Heute zu erleben. Somit stellt traumasensibles Yoga keine eigene Therapiemethode dar, kann in seinen Aspekten jedoch sehr gut zur Stabilität während einer Traumatherapie beitragen.

Wie sorgst du selbst für deine mentale Gesundheit?

Leider kann ich hier nichts nichts bahnbrechend Neues erzählen, da ich das versuche umzusetzen, was man in jedem Artikel dazu liest: Ich bin viel an der frischen Luft, treibe Sport, ernähre mich (meistens) gesund, meditiere, praktiziere Yoga und verbringe viel Zeit mit Menschen, die mir gut tun.

Du hast ein Buch über traumasensibles Yoga geschrieben. Warum hast du es geschrieben und an wen richtet es sich?

Vor Jahren durfte ich Teil eines Forschungsteams zu Yoga bei Depression in den USA sein. Die Leiterin der Studie war eine ayurvedische Ärztin aus Indien, die mich damals sehr beeindruckt hat: Sie war sowohl uns als auch den Studienteilnehmenden gegenüber stets wohlwollend, auf Augenhöhe und sehr praxisnah. Von ihrer Herangehensweise inspiriert wollte ich mich mit meinem Buch primär an Betroffene wenden. Und hierbei die teils komplexe Theorie wohlwollend und alltagstauglich verständlich machen. Zudem war es mir ein großes Anliegen, das Betroffene sich selbst besser verstehen, sodass sie mit mehr Mitgefühl die Übungen in dem Buch wählen können, die für sie am hilfreichsten sind. Während des Schreibens wurde mir dann immer mehr bewusst, dass viele Inhalte auch für Menschen relevant sind, die unter einer hohen Stressbelastung leiden, sowie für Lehrende, die ihre Yogastunden inkludierender gestalten möchten.

Vielen Dank, liebe Eva!

Eva Weinmann ist Dipl.-Psychologin, Therapeutin, Yogalehrerin und Autorin. Sie bietet Einzelsitzungen, Retreats und Fortbildungen an. Sie lebt im Chiemgau. Mehr Infos findet du unter: ww.yogaundtherapie.info

Weihnachtsverlosung

Wenn dein Körper sich erinnert

Ich darf drei Exemplare des Buches „Wenn Dein Körper sich erinnert. Mit traumsensiblem Yoga den Körper wieder als sicheren Ort spüren“ von Eva Weinmann verlosen. Die Verlosung findet auf dem Lebensflow-Instagramaccount statt und endet am 22. Dezember 2023 um 12 Uhr mittags. Anschließend lose ich aus, und die Bücher machen sich noch vor dem 24. Dezember auf den Weg zu ihren Gewinnerinnen/Gewinnern.

Herzlichen Dank an die Verlagsgruppe Droemer Knaur für die Bereitstellung der Exemplare!